Touristen, die zum ersten Mal nach Rom kommen, werden von dieser komplexen und chaotischen Stadt in ihren Bann gezogen, die noch heute in ihrer tausendjährigen Geschichte verhangen ist. Die Reise führt durch die unzähligen Schönheiten der Stadt, Denkmäler, Kirchen, die weltberühmten archäologischen Stätten, aber auch durch die zahlreichen kulinarischen Spezialitäten, die dem „Pilger“ in jedem Teil der Stadt angeboten werden; Pilger wurden einst die Besucher der Stadt genannt, die zu Tausenden nach Rom kamen, um die Spuren des Altertums zu verfolgen oder ihren religiösen Glauben zum Ausdruck zu bringen.
Rom, die von Belli beschriebene Stadt der großen Kaiser, der großen Päpste oder der Frauen und Männer des Volkes – für Goethe Stadt der Seele, höfische Stadt wie sie von Fellini so treffend beschrieben wurde – ist heute eine Metropole, die mit ihren Widersprüchen und ihrem Erbe weiterlebt. Wer jedoch die Freibeuterseele der Stadt kennenlernen möchte, sollte die typischen Gerichte der römischen Küche probieren. Eine bodenständige und schlichte Küche, die mit wenigen, einfachen und oft „ärmlichen“ Zutaten zubereitet wird und Spiegelbild der Stadtgeschichte ist.
Wen wir uns am Pantheon in die Sträßchen und Gassen der Stadt stürzen, machen wir eine einzigartige Farb-, Geschmacks-, Aroma-, und Geruchserfahrung. Wir entdecken eine rustikale, aber vollmundige und schmackhafte Küche - die gute Hausmannkost der Menschen, die seit jeher in den engen Gassen und an den Plätzen der Ewigen Stadt leben. Diese Küche wird in den vielen Lokalen und Osterien überall in der Stadt serviert, hat aber nie Einzug in die Palazzi der mächtigen römischen Aristokratie gehalten, denn sie wird mit bescheidenen Zutaten und Abfallprodukten zubereitet, die nicht für die Tische von Prinzen und Kardinälen geeignet sind.
Den Ehrenplatz in diesem Panorama der Köstlichkeiten belegt die römischjüdische Küche, in der die verschiedenen Aspekte, Kulturen und Nahrungsmittel dieser beiden Völker verschmolzen bzw. ineinander übergegangen sind. Es hätte nicht anders sein können, da die Juden bereits im 2. Jahrhundert v. Chr. nach Rom kamen und die jüdische Küche genau wie die römische einfach und natürlich ist, und die Fähigkeit besitzt, auch die ärmlichsten Zutaten in köstliche Leckerbissen zu verwandeln. In einem meisterhaften Austausch hat die jüdische Küche die römischen Rezepte beeinflusst, während die römischen Nahrungsmittel einige jüdische Gerichte inspiriert haben. Die Begegnung dieser beiden gastronomischen Realitäten bildet die Grundlage der kulinarischen Tradition der Stadt, sodass es schwierig ist zu unterscheiden, wo die eine anfängt und die andere aufhört. Auf keinen Fall entgehen lassen sollte man sich zum Beispiel die besten Artischocken der Welt.
Die Artischocke, die Prinzessin der römischen Küche, kommt wie folgt zubereitet besonders gut zur Geltung: gesalzen, gepfeffert und komplett unter viel kochendem Öl frittiert. Diese Artischocken nach jüdischer Art sind eine wahre Köstlichkeit. Dasselbe gilt für die im Ofen gebackene Pastete „Tortino di alici“, die mit Sardellen und einer weiteren typischen römischen Gemüseart, der Endivie, zubereitet wird; die Endivie kann sowohl lauwarm als auch kalt konsumiert werden. Oder Gnocchi alla romana aus Grieß, die in Butter und Parmesankäse geschwenkt und dann im Ofen überbacken werden; ebenso wie Sardinen- und Artischockenpastete oder Timballo di ricotta (Ricotta- Auflauf).
Nicht zu vergessen die Stockfischfilets und Zucchiniblüten, gefüllt mit Mozzarella und Sardellen und in Teig frittiert, sowie die saftigen Supplì al telefono mit einem weichen Herz aus Mozzarella, der wie der Name des Gerichts verrät „Fäden zieht“, die an Telefonkabel erinnern. Ein Vorläufer des heute allseits beliebten Streetfood.
Auch Eintöpfe fehlen nicht auf dem Speiseplan; der bekannteste ist der mit Brokkoli und Arzilla – so wird in Rom eine Fischart mit weißem, sehr zartem Fleisch genannt; unbedingt probieren sollte man auch den Kichererbseneintopf mit „Pennerelli“, ein Rezept, das auf das alte Rom zurückgeht, wobei die „Pennerelli“ einfach klein geschnittenes Fleisch sind; dabei darf es sich aufgrund der jüdischen Ernährungsregeln jedoch nicht um Schweinefleisch handeln.
Unsere kulinarische Route geht weiter mit Gerichten rund um das Lamm, das bei den Römern abbacchio genannt wird. Dies erinnert uns daran, dass das römische Volk ursprünglich, den Erzählungen zufolge, ein Hirtenvolk war und in Verbindung mit Legenden über Waldgötter gebracht wurde, die für den Schutz der Herde sorgten. Varrone, ein lateinischer Schriftsteller aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. beschreibt die sorgfältige Pflege der neugeborenen Lämmer, die bis zum vierten Lebensmonat an einen Pfahl gebunden wurden, damit sie sich nicht weh tun konnten. Der Begriff „abbacchio“ stammt angeblich von dieser Gewohnheit, die Tiere an einen Stock zu binden, ad baculum, „abbacchio“. Paniertes und frittiertes Lammkotelett, Costolette „a scottadito“ (wörtlich: „zum Fingerverbrennen”), d.h. Koteletts, die auf dem Grill oder sengender Glut zubereitet und so heiß gegessen werden, dass man sich die Finger verbrennt; außerdem im Ofen gebackenes Lamm mit Kartoffeln oder im Topf mit Olivenöl und Zitrone zubereitetes Lamm. Auch das Huhn hat seinen Platz bei diesem Fest der Genüsse. Es triumphiert frittiert oder mit Paprika gekocht - ein typisches Mariä- Himmelfahrt-Gericht - während Lamm ein typisches Osteressen darstellt.
Der ideale Ort ist das „Ghetto“, wo die Juden von 1550 bis 1870 gezwungen waren abgesondert zu wohnen, und das noch heute das Herz der römisch-jüdischen Gemeinschaft darstellt – genau der Ort, an dem am 16. Oktober 1943 Frauen, Kinder und ältere Leute entführt, verschleppt und von der Grausamkeit der Nazis überwältigt wurden. Heute führen die Menschen dort ein ruhiges Leben in den engen Sträßchen im Schatten der Synagoge, des Großen Tempels und der imposanten Bauten des „Portico d’Ottavia“ und des „Teatro di Marcello“. Die zahlreichen Trattorien bieten dem Besucher eine große Auswahl an hervorragenden Gerichten der römischjüdischen Küche. Der Sieg jedes freien Menschen über die Barbarei.
Auch das Brot nimmt in der römischen Küche einen hohen Stellenwert ein. Von der der Antike über das Mittelalter bis hin zur Renaissance war das Brot immer ein Protagonist auf dem Tisch der Reichen und Armen, sodass man sich in Rom nicht vorstellen kann, eine Mahlzeit ohne Brot einzunehmen. Wer kennt nicht die Bruschetta, ein geröstetes Stück Brot („bruscato“), das einfach mit Knoblauch abgerieben und dann mit Öl und Salz bestrichen oder auch mit verschiedenen Zutaten, Tomate, Paprika, Käse oder Zwiebel belegt werden kann. Die Bruschetta, ein „ärmliches“ Gericht der Bauernküche zur Verwendung von altem Brot, wird heute überall als schmackhafte Vorspeise „geknabbert“.
Eine weitere erwähnenswerte römische Spezialität ist die weiße Pizza, dünn und knusprig, oder mit dickerem Teig und mit Öl und grobem Salz gewürzt, ausgezeichnet auch mit frisch geschnittener Mortadella, oder im Sommer mit Feigen und für die größten Feinschmecker zusätzlich mit rohem Schinken belegt. Eine ganz besondere Spezialität ist die von alten Bäckereien in der Bratpfanne zubereitete rote Pizza: dünn, mit Öl und Tomate; unnachahmlich in ihrer einfachen Machart, lässt sie sich gut bei einem Spaziergang über die Straßen des Campo Marzio essen. Die ganze Stadt ist voll davon. „Alte“ und „moderne“ verlockend riechende Bäckereien laden zu einem schnellen und aromatischen Imbiss ein; vor allem die Gassen im Umkreis des Pantheon oder des Campo dei Fiori lassen die Herzen mit ihren unübertrefflich gutriechenden Brötchen und Pizzen jeder Art höher schlagen. Abends hingegen ist die Pizza Königin der Tische: Margherita, Capricciosa, mit Pilzen, Schinken oder all dem, was uns beliebt, von Testaccio bis hin zu Trastevere, von San Lorenzo bis Pigneto, von Ostiense bis Prati ist die Auswahl unendlich groß.
La pizza
Street food
Una pausa gastronomica veloce, consumata all’aperto